Die Weißen und die Pinken

Irgendjemand hat mal gesagt, dass es den Menschen von heute an Gelassenheit fehlt. An dieser Aussage ist durchaus etwas Wahres dran: Man hat Angst vorm älter werden, die Karriere macht Sorge, beim Gedanken an Kinder wird einem ganz schwarz vor Augen. Planung und Organisation sollen deshalb für Beruhigung sorgen. Der Plan ist wie ein Stützrad, auf das man sich „verlassen“ kann. Berufs-Planung. Familien-Planung. Fürchten. Vorsorgen. Planen. Nur – Jeder der Fahrrad fährt, weiß genau, dass es auch ohne Stützräder voran geht.

DIE Priese Gelassenheit die uns fehlt, hat das Kulturwerk Stuttgart zu Genüge. „Die Weißen und die Pinken“: Eine Kommentatorin steht auf der Bühne, die Vorstellung kann nun beginnen. Gelassen frägt Sie ins Publikum hinein „Sind die Technik-Sachen gelöst?“ (Den Blick ins Nirgendwo gerichtet, wo irgendwo die Techniker stehen). Es handelt sich um ein Improvisations-Theaterstück. Kurz: Impro. Für alle, die nicht wissen, was das ist: Das Publikum gibt den Schauspielern Impulse, die dann spontan nachgestellt werden. Ein Theater-Skript gibt es nicht, denn das Stück „lebt vom ersten Impuls“. Bevor die Schauspieler die Bühne betreten, wird das Publikum schon mal angeheizt.

„Wir brauchen eure Power!“.

Ein kleines Beispiel: Eine Kommentatorin bestimmt die Handlung (Blind-Date), das Publikum den Ort (Schrottplatz) und die Uhrzeit (ein Uhr in der Nacht). Die Schauspieler setzen die vorgegebene Szene aus dem Bauch heraus um. Es ergibt sich also ein Blind-Date auf dem Schrottplatz, um ein Uhr in der Nacht. Die beiden Teams, die Weißen und die Pinken, batteln sich den Abend über, wer die Regieanweisungen des Publikums besser umsetzt. Das Applaus-Barometer sorgt dabei für Klarheit.

Anschließend gibt es keine nervöse Grübelei: Was wollte der Regisseur damit sagen? Habe ich den Sinn verstanden? Wollte man überhaupt was sagen, oder wurde nichts gesagt und damit letztendlich dann doch? Das Publikum darf sich locker und entspannt geben, so wie es wirklich ist. Es wird gelacht, geschmunzelt, bewundert oder man denkt sich: „Diese Szene hätte ich vielleicht besser umgesetzt“. Zwischen Publikum und Bühne herrscht Kommunikation, die den Raum mit Leben füllt. Am Ende sitzt der Zuschauer zufrieden da und fühlt sich als Mitbeteiligter einer gelungenen Vorstellung. Nicht nur das.

Er erinnert sich daran, dass Improvisation und Gelassenheit im eigenen Leben (vielleicht) zu kurz kommen. Statt: Fürchten, Vorsorgen, Planen.

Nur noch: Fürchten. Vorsorgen. Entspannen…