In traditioneller Manier öffnete das Stadttheater Heilbronn rechtzeitig zum Beginn der neuen Spielzeit seine Tore, um in einer Matinee den Anwesenden die kommenden drei Premieren vorzustellen. Inspiriert von der Brisanz des aktuellen Weltgeschehens greift der langjährige Intendant Axel Vornam und sein Team unter dem künstlerischen Credo »WAS TUN« gesellschaftliche Kontroversen auf, die in ihrer Theatralik dem Zuschauer das ethische Delirium unserer geltenden Gesetze und des moralischen Wertesystems aufzeigen sollen. Als Vollstrecker der Judikative schreitet Schauspieler Stefan Eichberg durch die Reihen des überwiegend älteren Publikums und gibt einen Auszug des Dramas ›Terror‹ von Ferdinand von Schirach äußerst charismatisch zum Besten.
Bei Terror handelt es sich um ein modernes Drama, das die Zuschauer interaktiv fordert und diese in einen exemplarischen Gerichtsprozess involviert. In ihrer Funktion als Schöffen besiegeln sie das Schicksal des Majors Koch, der ohne den ausdrücklichen Befehl seines Vorgesetzten ein entführtes Passagierflugzeug zum Absturz bringt und somit einen terroristischen Anschlag mit enormen Opferzahlen verhindert – welchen Wert besitzt ein einzelnes Menschleben gemessen an der Masse?
Seit seiner Publikation schlägt das Drama hohe Wellen der Begeisterung und weist 47 Inszenierungen auf internationaler Ebene auf, beispielsweise auch in Spielstätten der Metropolen Tel Aviv, Caracas und Tokio. Man darf gespannt sein, wie Vornam seiner Inszenierung neue Impulse verleihen wird, ohne ein Spiegelbild der bisherigen Darbietungen des interaktiven Spiels zu werden.
Frischen Esprit brachte der dynamische und sympathische Gastregisseur Adewale Teodros Adebise, mit seinem legeren Auftreten und der Präsentation seines Inszenierungskonzeptes zur Adaption des gleichnamigen Independentfilms ›Kriegerin‹ von David Wnendt, auf die kleine Bühne im Foyer. Es handelt sich um ein Stück, welches insbesondere zu Zeiten des steigenden Flüchtlingszustroms und den daraus resultierenden wachsenden Rechtspopulismus brandaktuell ist. Mit ruhiger Stimme beschreibt Adebise, dass er in seiner Inszenierung den Fokus auf die Psychogramme der Protagonisten in Form einer Mileauanalyse richten wird. Deklariertes Ziel ist die energetische Aufladung der Zuschauer, ohne diesen als überzogene Lehrinstanz in Erinnerung zu bleiben.
Zu feurigen Tangorhythmen von Astor Piazolla betraten infolge die neue Chefregisseurin Uta Koschel, Dramaturgin Kristin Päckert sowie die Hauptdarsteller Tobias D. Weber (Alfred Ill) und Katharina Voß (Claire Zachnassian) das Podium, um ein entsprechendes Elaborat über das Eröffnungsstück ›Der Besuch der alten Dame‹ abzuhalten. Eine bemerkenswerte Parallele zur heutigen Zeit schuf die Dramaturgin Päckert – die zweifellos die Zeitlosigkeit von Dürrenmatts Intention solennisiert – indem sie das Vorgehen der Claire Zachanassian mit einer Aussage der Weltbankchefin Christine Lagarde, zur finanziellen Abhängigkeit der postkolonialen Staaten Afrikas zu den westlichen Industrienationen, vergleicht. Koschel richtet interessanterweise ihr Augenmerk in ihrer Inszenierung weniger auf die Schuld der Güllener, sondern auf die Zwangsläufigkeit einer veränderten Moral durch Zachanassians Offerte. Musikalisch wird die Inszenierung durch das hiesige Heilbronner-Neckargartacher Akkordeonorchester bereichert.
Als Wermutstropfen muss man zu guter Letzt konstatieren, dass keine Plattform für einen offenen Diskurs oder etwaige Rückfragen geboten wurde sowie dies die Homepage des Theaters verlauten ließ. Dies führte zu einer strikten Separation zwischen den Spektatoren und der künstlerischen Leitung – es bleibt daher bedauerlicherweise lediglich eine [Selbst-]Inszenierung der Inszenierungen. Hier sollte das Heilbronner Theater künftig eine Plattform der Begegnung, wie zunehmend auch an anderen Häusern üblich, bieten, um auch ein jüngeres Publikum mit dieser Veranstaltung anzusprechen.
Neugierig geworden? Information zum Theaterfrühstück:
Das Theaterfrühstück ist ein Angebot des Stadttheaters, indem programmspezifische Highlights und Premierentermine des Spielplans vorgestellt werden. Die Zuschauer haben die Möglichkeit gegen einen Unkostenbetrag am reichhaltigen Frühstücksbuffet teilzunehmen. Die Kosten für den eigentlichen Vortrag (den man auch ohne entsprechendes Frühstücksangebot wahrnehmen kann) belaufen sich auf 2,-Euro. Die künftigen Termine können auf dem Spielplan des Heilbronner Theaters eingesehen werden.
https://www.theater-heilbronn.de
Premierentermine:
Der Besuch der alten Dame: 23. September 2016
Kriegerin: 24. September 2016
Terror: 07. Oktober 2016
Text: Tobias Frühauf, Philipp Wolpert
Bildrechte: Stadttheater Heilbronn