“Der Widerspenstigen Zähmung” – Ein Stuttgarter Klassiker

Mit “Der Widerspenstigen Zähmung” nach William Shakespeare überzeugt das Stuttgarter Ballett mit altbewährten Formen.

Lustig ist eine seltene Assoziation mit einer so seriösen Gattung wie dem Ballett oder dem ein oder anderen Opernhausbesucher. Aber Crankos Widerspenstige konnte selbst jeden noch so stoischen Snob zum Lachen bringen.

Für alle, die schon mal eine Komödie von Shakespeare gelesen haben, mögen Handlung und Struktur sehr bekannt klingen:  Drei junge Männer sind verliebt in Bianca, die Tochter Baptistas. Dieser stellt ihnen klar, dass seine ältere Tochter Katharina, die Widerspenstige, zuerst einen Partner haben müsse, bevor sie Bianca haben können. Die drei Freier entdecken Petrucchio, den sie dazu bringen, um Katharinas Hand anzuhalten. Zwar findet das erste Zusammenkommen Petrucchios und Katharinas weniger harmonisch statt, doch kommt es trotzdem zu einem Happy End der beiden.

“Cranko ist so klug, sich gar nicht erst mit Shakespeare anzulegen” (Horst Koegler)

Das trifft sich als Beschreibung für die Inszenierung am besten. Theater ist wie ein Gemälde, es zeigt nicht die objektiven Formen eines Fotos, sondern den persönlichen Blickwinkel eines Künstlers, Regisseurs. In der Tat verzichtet der Choreograph auf jegliche Neuinterpretationen der Komödie und lässt lediglich einzelne Szenen streichen. Das wiederum gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, nicht unter der Bürde einer kompletten Neuumdeutung leiden zu müssen. Ob es sich in diesem Fall um ein “Foto” oder “Gemälde” handelt, bleibt dem Zuschauer überlassen. Mit Cranko ist man immer auf der sicheren Spur, das zeigt auch das Stuttgarter Publikum. Seit seiner Uraufführung im Jahr 1969 wurde das Handlungsballett mehrmals ins Repertoire aufgenommen. Das mag vor allem an der Zeitlosigkeit der Inszenierung liegen; obgleich Kostüme und Bühnenbild (Elisabeth Dalton) an die italienische Renaissance anknüpfen, bergen die Charaktere etwas sehr aktuelles. Menschen und ihre Verhaltensweisen bleiben doch gleich! Insbesondere die Mimik und Gestik der Tänzer strahlt Dynamik und Authentizität aus. Das zeigt sich sehr gut in der ersten Zusammenkunft Petrucchios (Constantine Allen) und Katharinas (Alicia Amatriain), die keinen Schlag meidet, um ihren Verdruss zum Ausdruck zu bringen. Die Szenen wirken echt und das macht das Ganze auch so amüsant. Der ganze Saal lacht, die Stimmung ist heiter. Einen nicht unwichtigen Beitrag leistet auch hierbei die Musik, welche nach Vorlagen Domenico Scarlatti, einem berühmten italienischen Cembalisten des 18. Jahrhunderts, von Kurt-Heinz Stolze eingerichtet wurde. Allesamt bilden Orchester, Corps de Ballett und Solisten ein hervorragendes Zusammenspiel und ziehen sogar den nicht Ballett-Affinen in ihren Bann.

Heutzutage, wo man auf aller Art avantgardistische, experimentelle und sogar vulgäre Inszenierungen trifft, kann der ein oder andere Kritiker Crankos “Widerspenstige” als archaisch, gar anachronistisch bemängeln. Zwar laufen keine nackten schwangeren Frauen und Leute mit Bunsenbrennern über die Bühne, aber davon bedarf es auch nicht. “Der Widerspenstigen Zähmung” ist auch in klassischer Ausführung sehr sehenswert, denn ab und zu sehnt sich jeder mal nach Romantik!

Text: Georgi Golubev

Bildrechte: Stuttgarter Ballet