Kitsch, Klamauk und kurzweiliges Vergnügen

Charleys Tante am 21.12.2016 im Theater Heilbronn

Was tun, wenn man zwei schöne Frauen zum Lunch eingeladen hat, mit dem Versprechen, sie würden die reiche Tante aus Brasilien kennenlernen, die ihren Besuch angekündigt hat – und dann nicht auftaucht?
Vor diesem Problem stehen Jack Chesney (Sven-Marcel Voss) und Charley Wykeham (Paul-Louis Schopf). Dass ihr Freund Fancourt Babberly, genannt Babbs (Nils Brück) gerade vorbeigekommen ist und zufälligerweise ein Damenkleid dabei hat (er spielt in einer Theatergruppe der Universität mit, sagt er zumindest) trifft sich ganz fabelhaft: Der arme Babbs wird ins Kleid gestopft und ist nun Charleys Tante „aus Brasilien, wo die Affen herkommen“. Man füge noch ein paar kompliziertere Liebesbeziehungen und das unbemerkte auftauchen der echten Tante hinzu, schüttle einmal kräftig, garniert das Ganze mit wohlbekannten Schlagern der 60er und 70er – et voilà: Ein Gute-Laune-Musical zum Mitsingen und Lachen.

csm_11-charleys_tante_81_83a2504590Aber nicht nur bei der Musik hat sich die Heilbronner ‚Tante’ von den 60er Jahren und den damals so beliebten Schlagerfilmen inspirieren lassen. Auch Kostüme und Bühnenbild sind klar an dieser Zeit angelehnt, wenn auch in überzogener Manier. Das Bühnenbild bildet der Bungalow in dem Jack und Charley leben: Ein weißer Kubus mit Sonnenterasse auf dem Dach, ringsum angedeuteter Garten, innen wildgemusterte Tapete in Orange. Was auffällt ist der Detailreichtum mit dem der Bungalow innen ausgestattet wurde. Bei Kostümen und Haaren geht es nicht weniger wild zu: grelle Farben, große Haare. Mit den tatsächlichen 60ern hat das hier nur wenig zu tun, aber das ist auch ganz gut so. Es ist zwar alles schrill und schrecklich überzogen, aber gerade das macht es für das Stück so passend. Darüberhinaus werden die technischen Vorzüge der Bühne voll ausgeschöpft. Durch die Drehbühne kann der Bungalow von allen Seiten bespielt werden, was mehrere Räume bietet, durch die Sonnenterasse und die dort hin führende Treppe ist es möglich parallele Handlungsstränge auf zwei Ebenen zu zeigen.

Nun gehört zu einem Musical aber mehr als schrille Kostüme und gut eingesetzte Bühnentechnik. Eric Rentmeister ist bei der Choreographie auf Nummer sicher gegangen und hat es so leider verpasst, dem Publikum Wow-Momente zu liefern. Eine kleine Ausnahme, die man allerdings unbedingt erwähnen muss, stellt hierbei der Tango von Babbs in seiner Verkleidung als Charleys Tante und Jacks Vater Francis Chesney (Johannes Bahr) dar. Obwohl diese Choreographie keinen bildschirmfoto-2016-12-25-um-20-43-18hohen Schwierigkeitsgrad zu haben schien, wurde sie mit so viel Witz und Charme präsentiert, dass sie als tänzerisches Highlight des Abends in Erinnerung bleibt. Bis auf dieses eine Mal, wurde beim Tanz allerdings leider auf eintönige, dem Rhythmus angepasste Gehschritte und überzogene Bewegungszitate von 60er Jahre Modetänzen gesetzt. So verblasste hinter all dem Kitsch der Kostüme und des Bühnenbildes der Tanz leider ein bisschen. Obwohl das Ensemble nicht aus ausgebildeten Tänzern besteht, hätte man hier mehr wagen können.
Gesanglich wurden die Schlager gut dargeboten. Zwar hat keiner der Darsteller eine Gesangsausbildung hinter sich, aber das stört kaum. Obwohl man merkt, dass es sich nicht in erster Linie um Sänger handelt, gelingt es ihnen doch die Spritzigkeit der Musik zu vermitteln. Störender war hingegen, dass die Überzogenheit der Kostüme und des Bühnenbilds häufig auf das Spiel der einzelnen Darsteller übertragen wurde. Es ist wohl klar, dass bei einem Stück wie diesem Ernsthaftigkeit fehl am Platz wäre, aber schonungsloser Klamauk muss auch nicht sein – und das war es leider ab und zu, jedoch zum Glück nicht die ganze Zeit.

Trotz alledem: Das Publikum war begeistert. Man sang, klatschte und wippte mit, während die Darsteller auf der Bühne Schlager zum Besten gaben, die durch alle Generationen hinweg bekannt sind. Gute Laune kann garantiert werden. Auch wenn die Heilbronner ‚Tante’ hier und da ein bisschen schriller sein möchte, als sie kann, als angemessen wäre – es ist ein fantastischer Spaß. Was bleibt ist die Erinnerung an einen unterhaltsamen Abend.

Text: Amina Gall
Fotos: Theater Heilbronn