Das Gastspiel des Tokyo Ballet vereint fernöstliche Exotik und zaristischen Prunk und begeistert damit das Stuttgarter Publikum am Wochenende vom 07. – 09. April 2017.
Endlich bekam auch das Stuttgarter Publikum La Bayadère zu sehen, obwohl ursprünglich “Der Schwanensee” im Spielplan vorgesehen war. La Bayadère, zu deutsch die Tempeltänzerin, gehört zu den Klassikern unter den zaristischen Hofballetts und zum Programm vieler namenhafter Spielstätten, ist aber bis heute nicht im Standardrepertoire des Stuttgarter Balletts vertreten.
An den Petersburger Hofchoreographen Marius Petipa wurde damals eine enorme Herausforderung gestellt, als er mit der Inszenierung des Stoffes für La Bayadère beauftragt wurde:
Auf der einen Seite galt es für ihn Handlung in Tanz umzuwandeln und auf der anderen, die intriganten Bedürfnisse des Hofstaates in ein Handlungsballett zu integrieren – denn zahlreiche Mätressen der Adeligen waren zugleich Tänzerinnen und wollten unbedingt auf der Bühne von ihren Liebhabern gesehen werden. Das erklärt, warum La Baydère nicht nur eine romantische Geschichte ist, sondern auch ein Zeugnis für den ausschweifend prunkvollen Lebensstil des damaligen Zarenhofes.
Trotz aufwändiger Szenen, ist der eigentliche Handlungsstrang simpel. Solor, der edelste Krieger im Land, bittet nach einer Tigerjagd den Fakir Madgawaja ein Rendezvous mit der Bayadere Nikija zu arrangieren. Hingerissen von ihrer Schönheit verliebt sich Solor in sie und beide schwören sich die ewige Liebe. Leider widerspricht das dem Wunsch des Radschas, der Solor mit seiner Tochter Gamsatti vermählen will. Als er sie ihm vorstellt – Achtung Feministinnen – verfällt Solor ihrer Schönheit ebenso. Daraufhin beschließen der Radscha und Gamsatti Nikija zu vergiften. Niedergeschlagen von ihrem Tod verfällt Solor in einen Opiumrausch und schlussendlich gelingt es doch beiden, Solor und Nikija, ihre Seelen in ewiger Liebe zu vereinen.
Die Inszenierung ist wenig waghalsig und orientiert sich an den klassischen Vorbildern aus der Zeit Petipas. Goldene Buddhastatuen, Tigerjagten und exotische Tempel: Beim Bühnenbild (Pier Luigi Samaritanti) mangelt es an nichts, an Dekor wurde nicht gespart und man wird nur so von Kolonialkitsch übersät.
La Bayadère ist ein Ballett, wie viele es sich vorstellen: große Szenen mit vielen Ballerinas in weißen Tutus und romantische Pas de deux zu klassischer Musik. Der Komponist Léon Minkus (arrangiert von John Launchberry) ähnelt dabei stilistisch dem weltberühmten Tschaikowski. Das trifft vor allem auf den zweiten Akt zu, in dem Solor (Dan Tsukamoto), aus Trauer über den Tod Nikijas (Mizuka Ueno) Opium zu sich nimmt und in einem Rausch verfällt. Hierbei kommt am meisten das Können der Compagnie des Tokyo Ballet zu Geltung.
Gastspiel bedeutet auch Gastorchester – in diesem Fall spielt die Württembergische Philharmonie Reutlingen unter Leitung Valery Ovsyanikovs und dem Staatsorchester Stuttgart in keiner Weise nach. Das Stuttgarter Publikum gibt sich gewohnt begeistert, es wird sogar mehrmals für Ovations unterbrochen. Eine Dame kann sich das Klatschen kaum verkneifen und zuckt beharrlich mit den Händen in der Luft, bis der massenhafte Applaus sie erlöst.
La Bayadère – hoffentlich auch bald im Repertoire des Stuttgarter Balletts!
Text: Georgi Golubev
Bildrechte: Tokyo Ballet