Die Nashörner

„Die Nashörner“ // 13.12.2018 // Württembergische Landesbühne Esslingen

„Angst ist irrational“. So die Einleitung in das Stück „Die Nashörner“ von Eugène Ionesco an der Württembergischen Landesbühne Esslingen, inszeniert von Markus Bartl. Ein Stück absurdes Theater, das die Frage aufwirft, was normal ist. Und wie ändert sich die Normalität, wenn unvermittelt eine Umkehrung stattfindet?

Plötzlich ist da dieses Nashorn in der Stadt, von dem niemand weiß wo es herkommt, was seine Absicht ist. Von einem Nashorn allein geht zunächst noch keine Bedrohung aus. Oder? Plötzlich ist da eine Horde Nashörner in der Stadt, zusehends werden es mehr. Man spricht schon von einer ganzen „Nashornarmee“. Im Büro fragen sich die Leute, was hier vorgeht. Herr Wisser (Ulf Deutscher), der sollte es doch wissen, mit seinem großen W auf der Brust? Fehlanzeige. Was diese Acessoires à la W für Wisser, Schmetterlingskrause für Herrn Schmetterling (Achim Hall) oder besser noch ein Gänseblümchen im Haar für Daisy (Barbara Dussler) bewirken wollen, bleibt rätselhaft. Falls es ein Versuch ist, betont „absurd“ zu sein, entzieht es dem Zuschauer jedes Gespür für Symbolik.

Es geht schnell, dass die Nashörner die Stadt einnehmen – irgendwie zu schnell in der Abhandlung auf der Bühne. Nach dem „Gesetz des Dschungels“ breitet es sich aus, nimmt Menschen ein, und plötzlich sind da sehr viele dieser sehr anomalen, animalischen Geschöpfe. Auch vor Behringer (Oliver Moumouris) macht das nicht halt, ihn erfassen Kopfschmerzen, Zwänge, die erste Anzeichen sind für die Tierwerdung. Eine Beule bildet sich an der Stirn, die er kurzerhand mit einem Verband umwickelt – ulkig sieht das aus, auch hier wieder fühlt sich der Zuschauer seinem Vorstellungsvermögen beraubt.

Was ist noch normal, fragen sich Behringer und Daisy? Wer sind die Irren, wer die Wahnsinnigen? Diese Situation ist spannend, ein Liebespaar auf die Probe gestellt, auf sich allein gestellt, wer kann wie Schutz bieten? Eine Extremsituation, die es zu untersuchen gilt, hier liegt Potenzial. Ein Funke Hoffnung, doch auch der erlischt schnell, wird einfach so abgehandelt, die Figuren in ihrer Not werden nur an der Oberfläche angekratzt.

DIE NASHÖRNER
Eugène Ionesco
Premiere: 22.09.2018
Schauspielhaus, Württembergische Landesbühne Esslingen
REGIE: Markus Bartl
BÜHNE u. KOSTÜME: Philipp Kiefer

Und plötzlich – wie es so weit gekommen ist, ein Rätsel – steht da Behringer als Exponat, nackt, in einem Glaskasten, wird nach oben transportiert, ein Mensch in seiner Blöße. Eine Gesellschaft aus Anzug- und  Cocktailkleiderträgern versammelt sich um ihn als Ausstellungsstück.
So unbeholfen wie sie ihn auf der Bühne begutachten, wird man auch im Zuschauerraum zurückgelassen.

Text: Leah Wewoda
Bildrechte: Patrick Pfeiffer