Stuttgarter Ballett // 13.1.2017 // Wiederaufnahme Krabat von Demis Volpi
Gehüllt in ein schwarzes Gewand, glatzköpfig und einäugig – so tritt der Meister in Erscheinung, unangenehm und unberechenbar. Auf Krabat wirkt er unerklärlich anziehend; er führt ihn tänzerisch sprichwörtlich an der Nase herum, Magie liegt in der Luft. Krabat lässt sich in den Bann ziehen – mit seinem Handschlag bringt er das Mühlrad wieder zum Laufen.
2013 feierte Demis Volpi, Hauschoreograph des Stuttgarter Balletts, die Uraufführung seines erfolgreichen Handlungsballetts Krabat, nun die Wiederaufnahme in der Spielzeit 2016/17. Spielort ist die Schwarze Mühle im Koselbruch, in der die Müllersburschen Teil der dunklen Machenschaften des Meisters werden.
Auf imposante Mühlenklänge, die einer echten Mühle entspringen, folgt eine imposante Choreographie der versammelten Müllersburschen: Mühlsäcke, die im Takt des Mühlrades in hohem Bogen über die Köpfe fliegen, umtanzt werden. Maschinell wirkt die Choreographie, identitätslos die Müllersburschen, was dem Charakter der Mühle gleich kommt.
Bis an die Decke gestapelte Mühlsäcke implizieren eine Arbeit, die nie enden wird. Als immer und immer wieder Mühlsäcke von Stapeln fallen, ist Krabat auf Tondas Hilfe angewiesen, der sich ihm zur Seite stellt und die Mühlsäcke im Handumdrehen – Magie liegt in der Luft – aus dem Weg zu schaffen weiß. Auch die anderen Müllersburschen wissen ihre Zauberkräfte gekonnt einzusetzen, die sie in der Zauberschule erworben haben, in der der Meister ihnen Auszüge aus dem Koraktor lehrt – unter anderem, wie sie sich in Raben verwandeln. Die zu Raben gewordenen Müllersburschen drehen ihre Flugrunden, in schwarzem Gefieder gleiten sie durch die Luft, nehmen Geschwindigkeit auf, bewegen sich animalisch – die Komposition aus Kostümen (Katharina Schlipf) und Choreographie liefert eindrückliche Bilder.
Wer sich verliebt, der muss sterben, das erfährt Krabat schon früh: Tonda, dem Altgesellen, wird die Liebe zu Worschula zum Verhängnis. Mit Auftritt der Mädchen kommt zum ersten Mal „Licht ins Dunkel“, warmes Sommerlicht erfüllt die Bühne, eine Malerei auf seidenem Vorhang verbreitet mit Grüntönen wohlige Stimmung. Worschula wird begleitet von ihrem Chor, einer Traube aus Tänzerinnen, die zu schweben scheinen, im Hintergrund läuft das Lied „Die Gedanken sind frei“, das als Lied des Protests gilt. Vor diesem Hintergrund ist die Wahl des Liedes gut erklärt, wenn auch erzwungen politisch…
Leichtigkeit erfüllt den Saal und doch ahnt man als Zuschauer, dass es dabei nicht bleiben wird. Vor dem Meister kann nichts verborgen bleiben, er erfährt von Tondas Verstoß und lenkt ihn und Worschula in den Tod. Sie gerät in einen Strudel aus Nicht-Widerstehen-Können, der Meister hat sie so fest im Griff, dass sie sich von ihm gelenkt in den vor sich liegenden See stürzt. Eine Szene, in der man die Luft anhält, Worschula aufhalten möchte, wie Tonda es versucht – vergebens. Spannung erfüllt die Bühne, wie sie selten in Handlungsballetten zu erleben ist.
Krabat ist sich darüber im Klaren, was die Liebe zu einem Mädchen anrichten kann. Und doch: Er erliegt ihr, verliebt sich in Kantorka, die ihren Krabat befreien möchte und ihn unter all den Müllersburschen erkennen soll. Sie schafft es. Doch so happy, wie sich das Ende anhört, ist es nicht: Der ganze Saal scheint die Luft anzuhalten, wenn sie beinahe auf den falschen Müllersburschen tippt.
Soweit der Plot. Weitere Sequenzen aus der Buchvorlage, zur Auffüllung, so wirkt es an manchen Stellen, lässt sich Demis Volpi nicht nehmen. Zum Beispiel Pumphutt: Ohne im Programmheft nachzulesen, wer der ominöse Pumphutt sein soll, fällt es schwer, einen Zusammenhang zu erkennen, zwischen Handlung und Bühnengeschehen; dem (tänzerisch einwandfreien) „fahrende[n] Mühlengeselle und Zauberer“, der dem Meister überlegen ist und dies in Sequenzen als Cowboy, Pirat oder asiatischer Kampfmeister demonstriert. Ein tänzerisches Duell, schön anzusehen, keine Frage, doch leider nicht selbsterklärend in den Verlauf der Geschichte eingebettet
Toll umgesetzt der Gevatter, der auftritt als weibliche Gestalt, in einem berauschenden Kostüm; mit „roter Hahnenfeder“, wie es der Buchvorlage entspringt und gleich einer feurigen Gestalt.
Krabat bietet in drei Akten Tanz und Theater, mit einem hohen Anteil an theatralischer Darbietung, mehr, als man es aus klassischen Handlungsballetten gewohnt ist, begleitet von beeindruckender Musik in der eigens für diese Inszenierung erarbeiteten Partitur mit Werken von Peteris Vasks sowie Philip Glass.
Die Mühle als ein Ort der Zuflucht einerseits und gleichzeitig als düsterer Strudel wirkt auch auf den Zuschauer auf unerklärliche Weise anziehend. Wenn der neue Müllersbursche Lobosch auf die Glateze des Meisters patscht, dann erlaubt das inmitten der Finsternis zu lachen – düstere, komische und strahlend schöne Momente ergänzen einander.
Text: Leah Wewoda
Bildrechte: Stuttgarter Ballett