„Ich lache, er tötet“ – lautet ein Zitat der Titelrolle Rigoletto und spiegelt beide Facetten des Werks wieder. Jetzt ist es in der Oper Stuttgart zu sehen – in einer durchweg gelungenen Inszenierung.
Man muss kein begeisterter Hörer von Klassik sein. Weder braucht man das Wissen zu besitzen, dass es sich hierbei um Verdi handelt, noch das Vermögen haben, einzelne Sonette und Teile der Musik wiederzuerkennen. Die Ohren nicht mit Watte zuzustopfen reicht vollkommen aus, um vom Stuttgarter Staatsorchester wieder einmal mitgerissen zu werden.
Rigoletto, eine Oper Giuseppe Verdis, wurde 1851 in Venedig uraufgeführt. Als Grundlage diente das zensierte Werk von Victor Hugo, „Der König amüsiert sich“. Unmoralisch und revolutionär erschien es der damaligen Monarchie in Paris, wo es nur einmal vorgeführt wurde. Hugo schaffte es, Eskapaden und Zustände eines Hofes aufzuzeigen, sie aber dermaßen zu karikieren und ins Lächerliche zu ziehen, so dass der damalige französische König, König Louis-Philipp die obszönen kritischen Anspielungen sofort untersagte.
In diesem Fall bringen Jossi Wieler und Sergio Morabito ( Dramaturgie und Regie) diese Oper klar und verständlich auf die Bühne. Selbst unerfahrene Zuschauer können ohne weitgehende Kenntnisse dem Plot und der Spannung problemlos folgen, denn zunächst stellt sich einem immer die Frage, inwieweit lohnt es sich überhaupt in die Oper zu gehen, ohne tieferes Know-How?
In Rigoletto erübrigt sich dies, zumal das Stück, dank der starken Identifikationsmöglichkeit mit den Hauptprotagonisten, verständlich wird.
Rigoletto, der eigentlich ein verdammter Narr am Königshofe ist, versucht mit aller Gewalt seine einzige Tochter vor der grausamen patriarchalen Welt am Hofe zu verstecken. Dort dienen Frauen als Mittel zum Zweck, zur Befriedigung und Belustigung, der meist verheirateten Männer. Um diese Schmach seiner Tochter zu ersparen, erwägt Rigoletto allerlei Maßnahmen.
Obwohl ihr Auftreten und Aussehen starke Ähnlichkeiten mit Gavroche, dem heldenhaften Gassenjunge aus Victor Hugos Werk „Les Misérables“, aufzeigt und somit jede weibliche Anziehung allein durch ihre Austrahlung hervor geführt wird, beschränkt sich ihr Auslauf auf den sonntäglichen Kirchenbesuch. Eine wahre Strafe im doppelten Sinne. Ohne es zu merken, leidet die stark auftretende Tochter Gilda, gespielt von Ana Durlovski, unter der eigentlichen Herrschaft ihres Vaters.
Um sie vor der unterdrückenden Welt am Hofe zu schützen, entledigt er Sie ihrer Freiheit als Person sowie auch als Frau alleine für Ihr Wohl entscheiden zu können oder gar ihre Sexualität auszuleben. In vielen anderen Inszenierungen wurde Gilda meist als naives Püppchen dargestellt, hier in Stuttgart ist dem nicht so. Eine emanzipierte Frau, die Ihren Vater nachäfft, als er wieder einmal mit seiner Jammerei beginnt, präsentiert sich hier auf der Bühne. Der eigentliche Star am Abend – die faszinierende Gilda.
Trotz der Fehler, die sie begeht, zieht sie ihre Taten mit Würde und Bewusstheit durch, so dass eine entscheidungsfähige Frau, durch das tragische Einfädeln ihres Vaters, ins Unglück gestoßen wird.
Das Spiel Ana Durlovskis kann beim Publikum punkten. Burschikose Kleidung und Bewegung bringen eine moderne Gilda auf die Bühne. Nichts von dem wirkt gewollt oder erzwungen aus. Die Soprane Stimmgewalt gibt der Darstellung den letzten Schliff.
Der gequälte Vater Rigoletto, im ständigen Kampf mit sich selbst, spiegelt treffend den modernen Menschen mit seinen Problemen wieder. Auch heute noch ist sich der Mensch seiner Widersprüche bewusst, ohne viel dagegen tun zu können. Markus Marquadt, in buckliger Gestalt, spielt uns einen erschreckend glaubwürdigen Spiegel vor. Non plus ultra auch wieder die Stimmgewalt. Ein gefangener Mann, der König der Narren am Hofe, will sich seiner sündhaften Ausschweife entledigen. Ohne Erfolg. Ganz im Gegenteil, durch gewaltsames Gegen-Agieren vermag er seine Situation nur zu verschlimmern. So auch seine gravierenden Rettungsversuche, um seine Tochter Gilda krampfhaft zu schützen und später zu rächen. Das Ende dieses Kampfes kann nicht tragischer sein als der Tot der eigenen Tochter.
Bis zum Schluss behält Rigoletto seine Distanz zur wunderschönen Tochter, die ihm erlaubt Narr und Vater gleichzeitig zu sein. Selbst das Schlussbild zeigt einen glaubwürdigen Narren, der Vater ist und keinen Vater der sich närrisch verhält.
Eine gewisse Unruhe kann man dennoch auf der Bühne bemerken. Obwohl der männliche Opernchor als eine Person fungieren soll, ist die Harmonie innerhalb der Truppe nicht ganz deckend. Unterschiede und Unebenheiten lassen das Bild einer spielenden Figur immer wieder aufbrechen. Auch in den Anfangsszenen wirken Nervosität und gewolltes Spiel mit obszönen Provokationen unharmonisch und deplatziert. Ehrlich gesagt, würde das Schließen der Augen hier kein schlechter Zug sein, da sich das Gehör an der tragenden Musik erfreuen kann und wenig aussagende Bilder nicht ertragen muss.
Denn auf eine Sache kann man sich stets verlassen und das ist das Staatsorchester Stuttgarts, die mit Bravur einen Klangraum schaffen der sowohl begleitend als auch führend die Inszenierung in einen spannenden Rahmen setzt.
Zusammenfassend, ein spannendes Spiel auf der Bühne und im Orchestergraben, das eine tragisch komische Geschichte intelligent und nachvollziehbar an den Zuschauer bringt.
Ein Beispiel, dass Oper nicht zwingend langatmig schwierig und keineswegs altbacken sein muss, sondern auch mitreißend und unterhaltsame Geschichten erzählen kann.
Hannah Prendecky und Georgi Golubev
Abbildung 1: Rigoletto; Foto: A.T. Schaefer
Abbildung 2: Staatsorchester Stuttgart; Foto: Martin Sigmund
Titelbild: Wikimedia