Béjart Ballet Lausanne zu Gast in Stuttgart // 11.11.2018 // Opernhaus Stuttgart
Das Béjart Ballet Lausanne traut sich was: Statt Ballettschläppchen oder Spitzenschuhen treten die Tänzerinnen und Tänzer in Socken auf. Oder tragen ihre Spitzenschuhe auf dem Kopf, statt an den Füßen. So entsteht eine Reibung, die das sonst so klassisch anmutende Stuttgarter Opernhaus in Spannung versetzt – sehr erfrischend.
Die Reibung teilt sich so mit: Der Orchestergraben bleibt leer, auf der Bühne spielt die Musik. Im ersten Teil des Gastspielabends „T’m et variations…“ treten zwei Percussionisten auf, Thierry Hochstätter und HB Meier, die mit ihrer Citypercussion das Bühnengeschehen begleiten. Ein riesiges Gebilde aus spielbarem Metall, erfüllt den Zweck von Musikwerkzeug und Bühnenbild zugleich. Definitv ein Hingucker.
Zum Soundtrack von Nick Cave und Warren Ellis, treten die Tänzer in zahlreichen Konstellationen auf, Mal als Pas de Deux, dann wieder als Ensemble. Angekündigt als „eine Folge von Variationen über Liebe und die innere Notwendigkeit zu tanzen“ mutet die Choreographie von Gil Roman oft melancholisch an, was sicherlich den atmosphärischen Klängen zuzuschreiben ist. Gleichzeitig nähert sich das Ensemble dem Thema Liebe mit Leichtigkeit. Beinahe karikierend in Gestik und Mimik – es erinnert an Emojis wie Kusssmileys in verschiedenen Varianten – behandeln sie die Liebe mit all ihren Irrungen und Wirrungen.
Eine Liebeserklärung an den Tanz findet statt in Form von Spitzenschuhen als Kopfschmuck. Eine gewöhnungsbedürftige Herangehensweise, die zunächst für Irritation sorgt. In einem Solo kommuniziert Elisabeth Ros mit einem Spitzenschuh, oder kommuniziert er mit ihr? Es entstehen komische Szenen, die die Beziehung eines Tänzers zu seinem Spitzenschuh visualisieren: Geliebt und gehasst.
Der Probencharakter des ersten Vorstellungsteils setzt sich nach der Pause fort; ein Tänzer ist zu sehen, wie er sich dem Stangentraining hingibt. Die „Béjart Fete Maurice“ ist eine Reihe von Ausschnitten, so zusammengestellt „wie man es tun würde in Vorbereitung einer Feier“, wie Gil Roman seine Inszenierung beschreibt.
Rund zehn Musikstücke und Choreographien gehen ineinander über, es ist eine Zusammenstellung von traditioneller Musik des Tschads bis zu Johann Strauß, und eben so breit gefächert wie die musikalische Palette, ist die Auswahl an Emotionen.
Schwarz-weiß beginnt sie, die Feier zu Ehren von Maurice Béjart: Zu Beethovens Symphonie Nr. 1 treten die Tänzerinnen und Tänzer in körperbetonter Robe auf. Ihre Formationen wirken systematisch und klar, teils kantig, so wie die beiden Pole schwarz und weiß.
Würde man „Rossiniana“ in die Palette der Emotionen einordnen, wäre wohl Humor die gewählte Kategorie. Ein Stück, das zum Schmunzeln bringt. Zwei Tänzer versuchen zu gefallen, bekleidet sind sie lediglich mit zwei Halskrausen. Sie geben sich alle Mühe, doch stellt sich ihre Tollpatschigkeit quer. Vermeintlich – denn ein großes Maß an Miteinander-Tanzen und punktsicherer Ausführung ist erforderlich, um dieses fordernde piece in dieser Intensität auf die Bühne zu bringen.
Die Krönung des Abends liegt in der Abschlussszene: Alle Tänzer versammeln sich auf der Bühne, inklusive Gil Roman, fassen sich an den Armen und schaffen eine so mitreißende Dynamik, die sich im Schlussapplaus erlebbar macht.
Text: Leah Wewoda
Bildrechte: Gregory Batardon, Béjart Ballet Lausanne